(10.11.2019)
Überprüfungsanträge nach § 44 SGB X stellen
Das Bundesverfassungsgericht hat am 05.11.2019 (Az. 1 BvL 7/16) entschieden, dass
ein Teil der Sanktionsregelungen des SGB II mit dem Grundgesetz unvereinbar sind.
Der Gesetzgeber wurde aufgefordert, eine Neuregelung zu treffen. Zugleich hat das Ge-
richt verfügt, dass die Sanktionsvorschriften der §§ 31a und 31b SGB II nur noch einge-
schränkt anzuwenden sind. Die Einschränkung bezieht sich allerdings auf Erwägungen
der Leistungsbehörde ohne dass das Gericht erklärt, wann von der Sanktion abzusehen
ist.
Eine solche Formulierung spricht für eine Ermessensentscheidung der Leistungsbe-
hörde und eine solche Ermessensentscheidung wäre im Hinblick darauf, ob das Ermes-
sen korrekt ausgeübt worden ist, also nicht etwa unter- oder überschritten worden ist, zu
überprüfen. Eine materiell-rechtliche Prüfung würde allerdings nicht stattfinden.
Das Bundesverfassungsgericht hat in der o. g. Entscheidung keinerlei Aussagen zu dem
Sonderfall der unter 25-jährigen gemacht. Zwar ergab sich aus dem Vorlagebeschluss
des Sozialgerichts Gotha diesbezüglich nichts, allerdings hätte das Gericht durchaus im
Wege eines obiter dictum Ausführungen hierzu machen können. Diese Chance wurde
vertan.
Im Hinblick auf längere Sperrzeiten, welche über drei Wochen hinausgehen, sei auch
noch auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 27.06.2019 zu den Aktenzei-
chen B 11 AL 14/18 R und B 11 AL 17/18 R verwiesen. Das Bundessozialgericht hatte
in den vorgenannten Entscheidungen dargelegt, dass die standardmäßigen Rechtsfol-
genbelehrungen in den Bescheiden der Bundesagentur für Arbeit rechtswidrig sind. Die
Rechtsfolgenbelehrungen, die die BA verwandt hat, sind unverständlich und enthalten
zum Teil lediglich Widergaben des Gesetzestextes und sollen alle nur denkbaren Fälle
abdecken. Eine solche Rechtsfolgenbelehrung ist nicht hinreichend um die leistungs-
rechtlichen Konsequenzen eines bestimmten Verhaltens zu erkennen.
Weiterhin muss die BA stärker darauf achten, dass eine zweite Sperre nur dann ver-
hängt werden kann wenn die erste durch Verwaltungsakt bereits geahndet worden ist.
Ein quasi "Summen-Verwaltungsakt" wäre insofern rechtsfehlerhaft. Sollte also jemand entsprechende Minderungs- und/oder Sanktionsbescheide erhalten
haben, empfehlen wir diese einer qualifizierten Überprüfung durch Gewerkschaften, So-
zialverbände oder Rechtsanwälte etc. zuzuführen.
Ansprechpartner für Rückfragen:
Anton Hillebrand, Telefon 0176 90792578
10.11.2019
Sozialberatung Ruhr e. V.
Am Bergbaumuseum 37
44791 Bochum
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