PRESSEMITTEILUNG
Hartz IV-Bezieher erhalten ab Januar 2018 mehr Geld
Reicht das?
Das noch amtierende Kabinett aus CDU/CSU und SPD hat unter dem 06.09.2017 eine
Erhöhung der Regelsätze nach SGB XII und SGB II auf den Weg gebracht. Dieser Er-
höhung stimmte unter dem 03.11.2017 der Bundesrat zu. Demzufolge steigen die Re-
gelsätze von € 409,00 auf € 416,00. Dies entspricht einer Erhöhung von € 7,00 = 1,7 %.
Die Frage, die sich stellt, ist ob eine solche Erhöhung tatsächlich den bisherigen Le-
bensstandard der Betroffenen fortschreibt oder ob es sich hier um eine Verminderung
der real zur Verfügung stehenden Finanzmittel handelt.
Vergleicht man den Verbraucherpreisindex, so ergibt sich für den Monat September
2016 (2010 = 100) ein Wert von 107,7 und für September 2017 ein Wert von 109,6.
Es ergibt sich insofern eine Erhöhung um 1,9 Prozentpunkte.
Schaut man allerdings etwas genauer hin, so stellt man fest, dass bei zentralen Punkten
des Regelsatzes, nämlich Nahrungsmitteln, deutlich höhere Preissteigerungen erfolgt
sind. So gibt das statistische Bundesamt für September 2016 einen Wert von 112,8 und
für September 2017 einen Wert von 116,3 an. Es handelt sich hier also um eine Erhö-
hung um 4,1 %. Jeder, der in letzter Zeit Butter, Milch oder Käse gekauft hat, hält diese
Werte immer noch für viel zu niedrig, da diese Preise sich erheblich erhöht haben. Die
Bundesregierung führt hierzu aus, dass die Regelsätze jährlich überprüft und fortge-
schrieben werden. Die Fortschreibung der Regelbedarfe wird anhand eines Mischinde-
xes errechnet, der sich zu 70 % aus der Preisentwicklung und zu 30 % aus der Netto-
lohnentwicklung zusammensetzt. Zugleich scheint die Regierung der Auffassung zu
sein, dass diese Vorgehensweise ausweislich einer Entscheidung des Bundesverfas-
sungsgerichts vom 09.09.2014 zulässig ist.
Auf der offiziellen Internetseite des Bundesverfassungsgerichts gibt es zu diesem
Thema keine Entscheidung vom 09.09.2014. Es gibt allerdings drei Beschlüsse des 1.
Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 23.07.2014 zu den Aktenzeichen 1 BvL
10/12, 1 BvL 12/12 und 1 BvL 1691/13. In dem vorgenannten Beschluss führt das Ge-
richt aus, dass zum Einen die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzmini-
mums sicherzustellen ist und darüber hinaus ist es der Auffassung, dass es eine
gewisse Methodenfreiheit der Bundesregierung gibt, wie die Höhe der Regelsätze be-
stimmt wird. Wie die Höhe der Regelbedarfe bestimmt wird, erläutert das Bundesverfas-
sungsgericht in dem vorgenannten Beschluss unter den Randnummern 12 ff. Seinerzeit
hatte die Bundesregierung bei der Bestimmung des Regelsatzes für Einpersonenhaus-
halte sich an den unteren 20 % der nach dem Nettoeinkommen geschichteten Einper-
sonenhaushalte orientiert um dann nur noch die letzten 15 % zu nehmen, was natürlich
zu einer deutlichen Absenkung geführt hat. Das Bundesverfassungsgericht hielt in dem
vorgenannten Beschluss diese Vorgehensweise für zulässig. Zugleich wird im vorge-
nannten Beschluss ausgeführt, dass bei dem zugrundeliegenden Durchschnittsindex die
Preisentwicklung zu 70 % und die Lohn- und Gehaltsentwicklung zu 30 % berücksichtigt
wird (§ 28a Abs. 2 Satz 3 SGB XII). Weiterhin wird Bezug genommen auf die Bundes-
tagsdrucksache 17/3404 Seite 122 zu § 28a Abs. 2 SGB XII. Die Preisentwicklung soll
den realen Wert der Leistung zur Deckung des physischen Existenzminimums sicher-
stellen und die Lohnentwicklung soll den allgemeinen Wohlstand widerspiegeln.
Bei der allgemeinen Diskussion über die Definition von Armut wird immer davon ausge-
gangen, dass es so etwas gibt wie ein physisches Existenzminimum, d. h. man muss so
viel Geld erhalten, dass man in der Lage ist, angemessene Nahrungsmittel zu kaufen.
Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, deckt eine Erhöhung um 1,7 % der Re-
gelleistung den realen Preisanstieg bei Nahrungsmitteln ohne alkoholische Getränke in
Höhe von 4,1 % auch im Ansatz nicht ab. Es entsteht sozusagen eine Verminderung der
realen Einkaufsmöglichkeiten der Leistungsbezieher.
Zwar gibt es die Auffassung, dass in einem solchen Fall wo Einzelpositionen des Regel-
satzes wie z. B. Bekleidung, Stromkosten, Mobilitätskosten etc. den realen Bedarf nicht
abdecken, diese dann aus anderen Bereichen wie z. B. Nahrung bezuschusst werden
müssen.
Dies gilt natürlich nur ganz begrenzt und insbesondere kommt es hier zu extremen
Schieflagen, wenn die Leistungsanpassung auf uralten Werten beruht, die nicht mehr
die reale Preissituation widerspiegeln.
Grundsätzlich muss die Höhe der Regelleistung so beschaffen sein, dass tatsächlich ein
menschenwürdiges Leben aktuell hier in Deutschland geführt werden kann. Es darf die
Untergrenze eines menschenwürdigen Lebensminimums nicht unterschritten werden.
Das Bundesverfassungsgericht führt hierzu in dem vorgenannten Beschluss aus, dass
eine verfassungsrechtliche Kontrolle nur im Wege einer Gesamtschau auf die Höhe der
Leistung insgesamt und nicht auf einzelne Berechnungselemente möglich ist. Sollte sich
allerdings ergeben, dass die einzelnen Berechnungselemente der Regelleistung wie z.
B. Kommunikation und Verkehr, Nahrungsmittel etc. allesamt unterhalb desjenigen
Wertes liegen, der erforderlich ist, um hier am Leben teilzunehmen, so ergibt sich natur-
gemäß, dass auch die Gesamtsumme nicht mehr hinreichend ist.
Unbestritten ist, dass die Bereiche Mobilität, Kommunikation und Stromversorgung des
Haushalts deutlich unter den durchschnittlichen Werten liegen und insofern als Einzel-
positionen nicht mehr in hinreichender Höhe gewährt werden.
Der Gesetzgeber kommt seiner Pflicht zur Aktualisierung von Leistungsbeträgen zur Si-
cherung eines menschenwürdigen Existenzminimums nur dann nach, wenn er die Ent-
wicklung der tatsächlichen Lebenshaltungskosten durch regelmäßige Neuberechnung
und Fortschreibung berücksichtigt. Regelmäßig bedeutet in diesem Zusammenhang,
dass er auf die Höhe von Verbrauchssteuern oder auf Preissteigerungen, insbesondere
wenn sie extensiv sind, zeitnah, d. h. mehr oder weniger unverzüglich reagieren muss
um sicherzustellen, dass der aktuelle Bedarf gedeckt sein wird (siehe hierzu vorge-
nannter Beschluss Randnr. 85).
Diesen Maßstäben hält die Erhöhung nicht stand und insofern bestehen diesseitig er-
hebliche Bedenken, ob diese Erhöhung noch den verfassungsrechtlichen Vorgaben ge-
nügt.
Dass bei den Betroffenen der Eindruck entsteht, dass mit Hilfe von Zeitverzögerungen,
statistischen Klimmzügen und rhetorischen Verzerrungen sichergestellt wird, dass die
Leistungen immer weniger ausreichend sind um ein menschenwürdiges Leben in die
sem Lande sicherzustellen, mag hier nicht weiter verwundern.
Die entsprechenden Wahlergebnisse der letzten Landtags- und der Bundestagswahl im
Übrigen auch nicht.