PRESSEMITTEILUNG
ARGE Bochum stellt Hilfesuchende an den Pranger
In der WAZ vom 09.09.2009 sowie dem 10.09.2009 befanden sich insgesamt 39 Be-
nachrichtigungen der ARGE Bochum an Hilfesuchende. Im Wesentlichen handelte es
sich um Bescheide über die Aufhebung und Rückforderung von Leistungen, z. T. aber
auch um die Mitteilung zur darlehnsweisen Bewilligung von Mietkautionen.
Im Text der Benachrichtigung wird ausdrücklich Bezug genommen auf § 10 Abs. 2 Lan-
deszustellungsgesetz NRW.
Eine Bezugnahme auf dieses Gesetz steht der ARGE Bochum jedoch nicht zu, da gem.
§ 1 Abs. 1 LZG NRW dieses Gesetz nur für das Zustellungsverfahren der Behörden des
Landes, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen der Aufsicht
des Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen
Rechts gilt. Finanzbehörden sind hierbei ausgenommen.
Die ARGE Bochum ist weder eine Behörde des Landes noch der Gemeinde, sondern
eine verfassungswidrige Mischverwaltung wie wir seit der entsprechenden Entscheidung
des Bundesverfassungsgerichts wissen.
Es ist rechtlich höchst fraglich, ob die gewünschte Rechtsfolge, nämlich Zustellung des
Bescheides durch die öffentliche Bekanntmachung, überhaupt bewirkt werden konnte, in
jedem Fall war dies recht teuer.
Unabhängig von der rechtlichen Bewertung ist dies auch politisch höchst fragwürdig,
wenn man fast 40 Personen mit Namen, Geburtsdatum und letzter Anschrift sowie der
Benennung des Geschäftszeichens in der Zeitung veröffentlicht. Im Bereich unseres
Vereins ist dies jedenfalls nach unserem Kenntnisstand noch nicht vorgekommen und
wir vermögen auch nicht zu erkennen welchen Sinn eine solche Anprangerung der ver-
schiedenen Personen haben soll.Es muss jedoch davon ausgegangen werden, dass nunmehr alle Personen in Bochum
wissen, wer u. a. Leistungen gem. SGB II bezieht, bezogen bzw beantragt hat und dies
mag Auswirkungen darauf haben, ob die entsprechenden Personen irgendwo noch eine
Wohnung anmieten können bzw. sich erfolgreich auf eine Arbeitsstelle bewerben kön-
nen. Wer erst einmal so stigmatisiert worden ist, dem dürfte das Leben deutlich schwe-
rer gemacht worden sein.
Ursprünglich war die Grundintention bei der Einführung des SGB II die Beschleunigung
der Vermittlung in eine geregelte Arbeit. Warum die ARGE Bochum meint, dass dieser
Zweck durch Stigmatisierung erreicht werden kann, ist nicht nachvollziehbar.
Die ARGE Bochum wird auf der einen Seite von entsprechenden Personen aus der BA
kontrolliert und auf der anderen Seite von der Stadt Bochum. Die Politiker sind aufgefor-
dert, dieser verfassungswidrigen Mischverwaltung auf die Finger zu schauen, da sie be-
reits in mehreren Punkten ihre Kompetenzen überschreitet. Dies gilt nicht nur für die
Zustellung nach dem LZG NRW wie im vorliegenden Fall, sondern z. B. auch insofern,
als Vermietern ein Bußgeld angedroht wird, wenn sie eine Vermieterbescheinigung nicht
ausfüllen. Die ARGE ist jedoch gar nicht befugt, ein entsprechendes Bußgeld zu ver-
hängen, da dies ausschließlich der Wohngeldstelle zusteht. Das interessiert die ARGE
Bochum aber nicht sonderlich.
Nach diesseitiger Auffassung liegt ein massives Aufsichtsverschulden der die ARGE
Bochum betreibenden beiden Behörden, sprich Stadt Bochum und BA, vor. Diese sind
aufgerufen, ihre Verantwortung ernst zu nehmen und darauf zu drängen, dass geltendes
Recht auch eingehalten wird.
Abschließend sei noch auf ein besonderes rechtliches Bonbon hingewiesen: Die Be-
nachrichtigungen sind unterzeichnet mit „Der Geschäftsführer: i. A. Schneider“. Der Ge-
schäftsführer der ARGE Bochum heißt Torsten Withake und ist offensichtlich nicht iden-
tisch mit „Schneider“. „I. A.“ bedeutet „im Auftrag“ im Gegensatz zu „i. V.“ = „in Voll-
macht“. „I. A.“ wird klassischerweise als sog. Erklärungsbote angesehen, d. h. eine Per-
son, die keine eigene Willenserklärung abgibt, sondern lediglich die Willenserklärung
einer anderen Person überbringt. Eine Erklärung „i. A.“ hat insofern keinerlei Rechtswir-
kung, da § 164 BGB nicht eingreift, weil dieser lediglich die Handlungen des Vertreters
legitimiert und nicht des Boten.
Die ganze Aktion war nach diesseitiger Auffassung rechtswidrig, sie kann den ge-
wünschten Rechtserfolg, d. h. die öffentliche Zustellung, nicht bewirken und teuer war
sie auch noch. Ob solche völlig kontraproduktiven und sinnlosen Aktionen noch im Inter-
esse des Steuerzahlers sind, mag jeder Einzelne selbst entscheiden.
13.09.2009