Leserbrief an die WAZ zu dem Artikel „Weiter kein Geld für Eltern behinderter Kinder“

 

 

In der Bochumer Lokalausgabe der WAZ vom 30.04.2011 befand sich ein Artikel mit der Überschrift „Weiter kein Geld für Eltern behinderter Kinder“.

 

In dem Artikel wird ausgeführt, dass das Sozialamt der Stadt Bochum, vertreten durch seine Leiterin, Frau Dr. Heide Ott, sogenannte Abzweigungsanträge gestellt hat. Inhalt eines solchen Abzweigungsantrages ist, die Kindergeldkasse möge das Kindergeld nicht an den Kindergeldberechtigten, sondern an die Stadt abführen. Dies gilt für Fälle, in denen Kinder, die schwerstbehindert sind, noch Kindergeld nach dem 25. Lebensjahr beziehen.

 

Die Frage, die sich stellt, ist ob die Kindergeldkasse einem solchen Antrag folgen darf.

 

Zu dieser Frage hat das Finanzgericht Münster, welches auch für Bochum zuständig ist, unter dem 25.03.2011 (12 K 1891/10 Kg) Stellung genommen. In dem Sachverhalt, der der vorgenannten Entscheidung zugrunde liegt, hatte ein Träger der Sozialhilfe, also vermutlich eine Stadtverwaltung, bei der zuständigen Kindergeldkasse die Abzweigung des Kindergeldes beantragt. Die Kindergeldkasse hat dies abgelehnt und der Träger der Sozialhilfe hat gegen die Ablehnung Klage beim Finanzgericht Münster erhoben.

 

Die Richter haben die Klage abgelehnt, d. h. die Kindergeldkasse darf das Kindergeld nicht an den Träger der Sozialhilfe abführen. Begründet haben die Richter dies im wesentlichen mit zwei Argumenten, nämlich zum Einen damit, dass in dem konkreten Sachverhalt der Lebensbedarf des Kindes die Einkünfte und Bezüge des Kindes um € 191,00 übersteigt. Insofern war nach Auffassung des Gerichts davon auszugehen, dass diese Deckungslücke zwischen dem Einkommen und dem Bedarf von den Eltern ausgeglichen wird und ihnen auch das Kindergeld in Höhe von € 184,00 zusteht.

 

Eine weitere und möglicherweise für viele Betroffene interessantere Argumentation ergibt sich daraus, dass die Regelungen des Einkommensteuergesetzes, nach denen das Kindergeld gezahlt wird, nicht mit den Regelungen nach SGB XII, also der Sozialhilfe, kompatibel sind. Das Kindergeld stellt einen steuerfinanzierten Familienlastenausgleich dar und stellt im Kern auf die zivilrechtlichen Unterhaltsansprüche ab. Die Bemessung des Lebensbedarfes eines Kindes orientiert sich jedoch an den Lebensverhältnissen, d. h. dem Einkommen und dem Vermögen der Eltern, da das Kind bei Fortbestehen der Unterhaltsverpflichtung sozusagen eine abgeleitete nichtselbstständige Lebensstellung hat. Der objektiv bestehende Unterhaltsbedarf des Kindes hängt nicht von der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten (Eltern) ab. Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass die sogenannte Abzweigung nach unterhaltsrechtlichen Maßstäben des BGB und nicht nach den sozialhilferechtlichen Maßstäben nach SGB II oder SGB XII zu beurteilen ist. Da aber der Träger der Sozialhilfe ausschließlich Leistungen im Rahmen des SGB XII gewährt, kommt es im Regelfall zu einer Bedarfsunterdeckung, sodass im Regelfall ein Abzweigungsantrag des Trägers der Sozialhilfe durch die Kindergeldkasse negativ zu bescheiden ist.

 

Den betroffenen Eltern kann nur empfohlen werden unter Bezugnahme auf die vorgenannte Entscheidung die Kindergeldkasse aufzufordern, den Abzweigungsantrag der Stadt Bochum negativ zu bescheiden.

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