Leserbrief an die Zentralredaktion der WAZ in Essen zum Artikel „Hartz IV war richtig“ in WAZ vom 11.06.2009

 

 

In der WAZ vom 11. Juni 2009 wird von einem Gespräch des SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering mit der WAZ-Redaktion gesprochen. U. a. wird Herr Müntefering damit zitiert, dass Hartz IV richtig gewesen sei.

 

Weiterhin wird Herr Müntefering mit den Ausführungen zitiert, dass die Hartz-Reformen gelungen seien, denn sie hätten die Zahl der Arbeitslosen von 5 Mio. auf 3,2 Mio. reduziert.

 

Die Zahl der Erwerbsfähigen in Arbeit wurde in der Tat erhöht, aber nicht wegen, sondern trotz der Hartz IV-Reformen. Auch in den anderen Ländern der EU stieg zeitgleich die Anzahl der Erwerbstätigen. Es liegt hier keine Kausalität, sondern eine zufällige Übereinstimmung in der zeitlichen Ausdehnung vor, die im wesentlichen über eine verbesserte Lage der Weltwirtschaft begründet werden muss.

 

Herr Müntefering verwechselt hier Kausalität mit einer zufälligen zeitlichen Übereinstimmung. In den 60er Jahren ist in Westdeutschland die Zahl der Geburten eindeutig zurückgegangen, korrespondierend auch mit dem Rückgang der Anzahl der Störche. Auch hier lag eine zeitliche Zufälligkeit vor, keine Kausalität.

 

Was Herr Müntefering vollkommen verschweigt ist, dass die weiteren Auswirkungen von Hartz IV für die Betroffenen katastrophal sind:

 

  • - Hartz IV-Bezieher wurden gezwungen, ihre Altersvorsorge (Lebensversicherungen etc.) aufzulösen und zu verbrauchen. Die Folge davon ist, dass sie im Alter keine ausreichende Rente mehr haben werden und auf Leistungen aus der Sozialhilfe angewiesen sein werden.

  • in diversen Fällen wurden die Menschen gezwungen, von der bisher bewohnten Wohnung in eine billigere Wohnung umzuziehen

  • in anderen Fällen wurden die Menschen gezwungen, ihr Häuschen bzw. die Eigentumswohnung zu erkaufen, da diese ein Vermögen im Sinne des § 12 SGB II darstellten, die über die Freigrenzen hinausging

  • Sozialhilfe wurde auch früher nur dann gezahlt, wenn Sozialhilfeempfänger, soweit sie gesundheitlich dazu in der Lage waren, dem Arbeitsmarkt zur Verfügung standen

  • Für die Menschen, die Jahrzehnte lang gearbeitet haben und dann aufgrund eines Konkurses oder sonstiger Umstände arbeitslos geworden sind, wurde die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld (SGB III) drastisch auf 12 Monate verkürzt. Diese Folgen werden möglicherweise Karstadt-Beschäftigte bzw. Opel-Beschäftigte für den Fall des Wegfalls des Getriebebaus in gar nicht ferner Zukunft erleben.

  • Konstruktion einer verfassungswidrigen „Behörde“, deren Kosten, also Verwaltungskosten, explodieren
    Selbst nach Untersuchungen der IAB (sozialwissenschaftliches Institut der BA) ist Hartz IV komplett gescheitert. Dies gilt für beide Seiten des Schreibtisches, also sowohl für die Hilfebedürftigen als auch für die Mitarbeiter der jeweiligen ARGEn. Es regiert Elend auf beiden Seiten des Schreibtisches.

 

Wenn also der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering sich hinstellt und gebetsmühlenartig wiederholt, dass Hartz IV richtig sei, so ist dies für den normalen Steuerzahler vollkommen falsch und der geneigte Leser fragt sich, ob diese Behauptung noch das Ergebnis einer konkreten Analyse oder einfach nur der bekannte sauerländer Sturkopf oder bereits beginnender Altersstarrsinn ist.

 

Arbeitslose mögen als Erwerbsbürger gescheitert sein, als Staats- und Wahlbürger sind sie es nicht. Man muss keine Partei wählen, die den Reichen Milliarden hinterherwirft und den Armen das Geld wegnimmt.

 

11.06.2009

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