Leserbrief an die Zentralredaktion der WAZ in Essen zum Artikel „Finanzfesseln für Hartz-IV-Kinder“ in der WAZ vom 11.07.2009

 

 

In dem Artikel „Finanzfesseln für Hartz-IV-Kinder“ wird berichtet, dass Kinder, die Sozialgeld gem. SGB II beziehen, das Einkommen aus einem Ferienjob nicht in vollem Umfang behalten können.

 

Jenseits der 100 Euro werden nur 20 % als Freigrenze angesehen, ab 800 Euro bis 1200 Euro nur 10 %. Begründet wird dies damit, dass gem. den rechtlichen Regelungen des SGB II Einkommen in dem Monat anzusetzen ist, in dem es erzielt wird. Dies dürfte im Hinblick auf einen Ferienjob in den Sommerferien doch fraglich sein. Einkünfte aus einer Tätigkeit während der Sommerferien sind einmalige Einnahmen, die auf den Zeitraum zu verteilen sind, in dem sie anfallen. Da dies typischerweise nur einmal im Jahr geschieht, wären sie also auf zwölf Monate aufzuteilen (Brühl in LPK-SGB II § 11 Rdnr. 73).

 

Jede andere Lösung würde zu einem nicht vertretbaren Chaos führen, weil z. B. bei einer Einnahme von 1000 Euro im Monat das Kind dann keinerlei Leistungen mehr nach dem SGB II bekommen würde und insofern der Krankenversicherungsschutz erlöschen würde. In einem solchen Fall kann das Einkommen nicht in dem konkreten Monat vom Bedarf abgezogen werden (siehe hierzu auch Durchführungshinweise der Bundesagentur für Arbeit).

 

Soweit im weiteren Verlauf des Artikels ausgeführt wird, dass sämtliche Einkünfte auf die Stütze angerechnet werden, egal wer sie erzielt, so ist dies nur bedingt richtig. Es gibt keinen Anspruch der Bedarfsgemeinschaft auf Leistungen nach SGB II, sondern lediglich individuelle Einzelansprüche und im Rahmen dieser individuellen Einzelansprüche sind auch die Einkünfte zu berücksichtigen. Bei einem überschiessenden Einkommen, das also höher ist als der Bedarf, kann die entsprechende Person, die eigentlich nicht bedürftig ist, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts fiktiv bedürftig werden. Dann, und nur dann, kann eine Verrechnung mit den Bedarfen der anderen Personen erfolgen. Dass der Gesetzgeber hier einen ultrakomplizierten Weg zur Berechnung des Einkommens gewählt hat, macht ein Großteil der Streitigkeiten bei den Sozialgerichten aus. Neben Streit über die Kosten der Unterkunft dürften Streitigkeiten über Einkommen und Vermögen am meisten vorkommen.

 

Unabhängig von der rechtlichen Bewertung kann den Ausführungen im Artikel soweit nur zugestimmt werden, als hier den jungen Menschen vorn vornherein klargemacht wird, dass es sich nicht lohnt, sich um seine eigenen Sachen zu kümmern. Diese Art der fürsorglichen Drosselung der Eigeninitiative erinnert an einen Staat, der Gottseidank vor 20 Jahren auf dem Müllhaufen der Geschichte gelandet ist. Dass ausgerechnet Rot-Grün ihn wieder herausholen musste, mag jeder selber bewerten.

 

 

13.07.2009

(zurück)