E-Mail an ruhrgebiet@bild.de

 

50 Fragen zu Hartz IV

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

mit Interesse haben wir die BILD vom 28.08.2009 bzw. 29.08.2009 gelesen. Da wir unsere Mitglieder in allen Fragen des SGB II, SGB III und SGB XII beraten, interessiert es uns ganz besonders, wenn in einer so großen Tageszeitung wie der BILD-Zeitung ein umfangreicher Artikel erscheint.

 

Gleichwohl sei kritisch angemerkt, es wäre sinnvoller gewesen, neben den Mitarbeitern der Agentur für Arbeit als juristische Berater einen Anwalt oder Anwältin vorzugsweise als Fachanwalt für Sozialrecht mit den Fragen zu befassen. Die Antworten auf die von Ihnen gestellten Fragen reflektieren nämlich sehr stark die Sicht der Bundesagentur und nicht unbedingt immer die Sicht der Gerichte. Letztendlich interpretieren jedoch die Gerichte und nicht die BA die ergangenen Gesetze. Ausserdem sollte darauf geachtet werden, dass derjenige, den Sie befragen, ein gewisses Mindestmaß an anhängigen Klagen hat. Wir haben z. B. deutlich über 100 Klagen aktuell anhängig.

 

Wir regen an, unsere Stellungnahme zu den einzelnen von uns als problematisch empfundenen Antworten an die Autoren S. Ernst und Ch. Martens weiterzuleiten.

 

Für eventuelle Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung und verbleiben

 

mit freundlichen Grüßen

 

Anton Hillebrand

 

 

 

Frage 19: Darf das Amt kontrollieren, ob ich zu Hause bin?

 

Die in der BILD-Ausgabe vom 28.08.2009 gegebene Antwort lautet ja. Diese Antwort ist definitiv falsch. Ein Hausbesuch greift in das Grundrecht auf die Unverletzbarkeit der Wohnung nach Art. 13 Abs. 1 GG ein (LSG NRW vom 13.12.2007, Az. L 7 B 284/07 AS ER). Ein Hausbesuch kann nicht damit begründet werden, es solle sichergestellt werden, dass mit Steuergeldern auch angemessen sparsam umgegangen wird (BVerG vom 03.07.2006, Az. 2 B VR 2030/04). Das Betreten der Wohnung kann also durch den Mieter den Mitarbeitern der ARGE oder der jeweils zuständigen Kommune verweigert werden.

 

Fraglich ist, ob hieran Sanktionen, z. B. die Versagung oder Einstellung der Leistungen, geknüpft werden können. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat dies mit ausführlicher Begründung bereits zum BSHG verweigert (Hess. VGH vom 18.10.1985, VEVS 35, S. 333ff.).

 

Eine Verweigerung der Leistungsgewährung ist aber, und das ist soweit ersichtlich unstreitig, nur dann möglich, wenn allein der Hausbesuch die anderweitig nicht zu beschaffenden und zur Beurteilung der Leistungsvoraussetzung zwingend erforderlichen Angaben erbringen kann (Hess. LSG vom 30.01.2006, Az. L 7 AS 1/06 ER; LSG NRW vom 19.12.2007, Az. L 7 B 284/07 AS ER; LSG Baden-Württemberg vom 22.01.2008, Az. L 7 AS 603/07 ER B).

 

Eine Durchsuchung der Wohnung gegen den Willen des Betroffenen ist eindeutig rechtswidrig (OVG NRW vom 06.12.2002, Az. 16 B 1921/02; LG Itzehoe vom 25.10.2006, Az. 4 T 257/06). Der Betroffene sollte Strafantrag wegen Hausfriedensbruch stellen.

 

Frage 21: Wie groß und teuer darf die Wohnung sein, damit das Amt die Kosten übernimmt?

 

Zutreffend ist in der Antwort darauf hingewiesen, dass die Höhe der angemessenen Miete im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II sich nach den regional unterschiedlichen Miethöhen zu richten hat. Völlig unzutreffend ist es jedoch, dass die Angemessenheit sich nach dem jeweiligen Mietspiegel vor Ort richtet (Rips/Gautzsch S. 30ff. m. w. N.).

 

Weiterhin wird ausgeführt, die Größe für eine Person kann bis 50 qm betragen. Dies gilt für alle Bundesländer mit Ausnahme von Nordrhein-Westfalen, wo die Verwaltungen typischerweise 45 qm akzeptieren. Wir haben ein Verfahren in der Berufungsinstanz beim LSG Essen anhängig, wo wir darauf hinweisen, dass gemäß der Rechtsprechung des BSG § 10 Wohnungsförderungsgesetz einschlägig ist. Für NRW bedeutet dies in der gegenwärtig geltenden Fassung dieser Regelung, dass 47 – 52 qm als angemessen anzusehen sind. Im Übrigen bemängeln wir, dass die Beklagte, hier die ARGE Bochum, ausschließlich vom Mietspiegel ausgeht, und wir diesen für nicht einfach übernahmefähig halten. Das BSG scheint unserer Auffassung zuzuneigen, da es in einem Fall (Vorinstanz LSG Bayern) in der mündlichen Verhandlung vom 20.08.2009 die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben und zurückverwiesen und darauf hingewiesen hat, dass zunächst einmal tatsächliche Feststellungen zu treffen sind.

 

Frage 22: Erfährt mein Vermieter, dass ich Hartz IV bekomme?

 

Als Antwort wurde hier gegeben „Kommt darauf an“. Dies dürfte im Regelfall unzutreffend sein, da die ARGEn, jedenfalls im Einzugsbereich unseres Vereins, darauf bestehen, dass der Vermieter eine entsprechende Vermieterbescheinigung ausfüllt. Durch die Vorlage dieser Bescheinigung erhält der Vermieter Kenntnis davon, dass Leistungen beantragt werden. Ob danach tatsächlich Leistungen gewährt werden, kann er natürlich nicht wissen, wird aber vermutlich davon ausgehen, dass dies so geschieht.

 

 

BILD-Ausgabe vom 29.08.2009

 

Frage 1: Ich arbeite, habe aber selbst kaum genug Geld für mich. Mein Freund bekommt Hartz IV. Muss ich für ihn aufkommen, wenn wir zusammen wohnen?

 

Als Antwort wird angegeben „Nein“. Diese Antwort ist so unzutreffend, da es auf die Höhe des Einkommens auf der einen Seite und auf der anderen Seite auf die Frage ankommt, ob eine sog. Bedarfsgemeinschaft vorliegt. Auf die Regelungen des § 7 Abs. 3 und 3a SGB II wird insoweit verwiesen.

 

Frage 3: Bekomme ich Hartz IV, wenn mein Partner Arbeit hat?

 

Die hier gegebene Antwort ist zutreffend, widerspricht aber der Antwort zu Frage 1.

 

Frage 6: Bekomme ich zusätzlich zu Hartz IV noch Kindergeld?

 

Hier wird als Antwort „ja“ angegeben, um im zweiten Satz dies wieder aufzuheben. Tatsache ist, dass man Kindergeld bekommt, dieses jedoch angerechnet wird, sodass im Ergebnis das gleiche Geld vorliegt. Die Erhöhung des Kindergeldes hat also bei den ärmsten Kindern zu keiner Erhöhung des Einkommens geführt.

 

Frage 19: Wird meine Steuererstattung angerechnet?

 

Die Frage ist im Prinzip richtig beantwortet worden, es ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Höhe der Stütze nicht gleich bleibt, sondern das Amt zahlt weniger. Der Differenzbetrag muss aus der Steuererstattung ausgeglichen werden.

(zurück)